Drum prüfe, wer sich (...)
Richtet man das Augenmerk auf die am 22.07.2017 im Rahmen des „Gesetzes zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften“ in Kraft getretene Genossenschaftsnovelle, so erweist sich diese auch bei wohlwollender Betrachtung kaum als „Großer Wurf“. Ob und inwiefern die Neuregelungen tatsächlich zum Abbau bürokratischer Hürden im Genossenschaftsrecht beitragen, erschließt sich auch dem sachkundigen Betrachter allenfalls auf den zweiten Blick.
Soweit es die mit der Novelle verbundenen praktischen Auswirkungen betrifft, offenbart vor allem die neu aufgenommene Bestimmung des § 58 Abs.1 Satz 3 GenG eine gewisse Brisanz. Danach ist im Prüfungsbericht Stellung zu nehmen, „ob und auf welche Weise die Genossenschaft im Prüfungszeitraum einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat“.
Die Regelung aktualisiert und präzisiert zugleich in ihren verfahrensrechtlichen Auswirkungen den Fördergrundsatz als zentrale Zielprojektion genossenschaftlicher Unternehmen, der gleichermaßen die Genossenschaft wie auch deren Beteiligungen (§ 1 Abs. 2 Nr.1 GenG) umfasst. Zwar sind, wie es § 705 BGB für die GbR verdeutlicht, auch andere Rechtsformen des Personen- und Kapitalgesellschaftsrechts an der Förderung ihrer Mitglieder orientiert, doch erfolgt die Mitgliederförderung in der Genossenschaft im Licht der normativen Vorgaben nach eigenständigen Maßstäben. Anders als beispielsweise in der AG steht nicht die Mehrung des „shareholder value“ durch Gewinnausschüttungen und Steigerung des Beteiligungswerts im Mittelpunkt des genossenschaftlichen Wirtschaftens; vielmehr ist es im Kern um die „Naturalrendite“, d.h. bei Wohnungsgenossenschaften um „die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“ zu tun (§ 2 Abs.1 MusterS GdW).
Ohnedies sind die Mitglieder im Falle ihres Ausscheidens aus der Genossenschaft an den stillen Reserven und damit am Unternehmenswert nicht beteiligt (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG). Insofern genügt es den Anforderungen des Gesetzes nicht, wenn die Genossenschaft im Rahmen ihres durch die Satzung zugelassenen Nichtmitgliedergeschäfts oder durch die wirtschaftliche Betätigung ihrer Beteiligungen Erträge erzielt, ohne dass diese Geschäftstätigkeit selbst unmittelbar oder mittelbar Förderwirksamkeit zugunsten der Mitglieder entfaltet. Dabei ist es gleichgültig, ob die außerhalb des Fördergeschäfts erzielten Gewinne thesauriert oder an die Mitglieder ausgeschüttet werden. So hat schon das Reichsgericht Dividendengenossenschaften als unzulässig angesehen (RGZ 133, 168, 169). Insofern steht auch das Nichtmitgliedergeschäft unter dem Vorbehalt der Förderwirksamkeit zugunsten der Mitglieder, sei es durch Auslastung freier Ressourcen, beispielsweise im Falle des Leerstandes, oder zur Gewinnung von Neumitgliedern sowie insbesondere bei wohnungsbegleitenden Zusatzleistungen zur Erzielung von Größenvorteilen (economies of scale), die im Rahmen einer Kostenreduzierung und Angebotsausweitung auch den Mitgliedern zugutekommen.
All dies gilt gem. § 1 Abs.2 GenG auch für die wirtschaftliche Betätigung von Tochtergesellschaften. Als problematisch erweist sich vor allem die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Wirtschaftsbereiche, die nicht in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der satzungsrechtlichen Förderleistung stehen. Dies gilt auch für die nach § 2 Abs.3 der MusterS vorgesehene Betätigung „im Bereich der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, des Städtebaus und der Infrastruktur“. Maßgeblich ist folglich, ob die hiermit verbundenen Verbesserungen der sozialen oder technischen Infrastruktur zumindest mittelbare Auswirkungen auf das Wohnumfeld der Mitglieder zeitigen, wobei im Lichte der urbanen Einbindung durchweg ein großzügiger Maßstab zugrunde gelegt werden kann. Es ist zunächst an den Prüfungsverbänden, die Leit-und Grenzlinien des Fördergrundsatzes im Rahmen ihrer Prüfungsmaßstäbe zu verdeutlichen. Zugleich liegt es in der Verantwortung der Vorstände und Aufsichtsräte der Wohnungsgenossenschaften, die Förderorientierung ihrer aktuellen und potentiellen Geschäftsfelder zu präzisieren und zu verdeutlichen. Fiat iustitia!