EBZ-Umfrage: So kann die Wohnungswirtschaft Azubis rekrutieren und im Unternehmen halten – und so nicht
Wie finden Auszubildende ihren Weg in die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft? Welche Pläne haben die jungen Menschen? Und was ist zu tun, um sie in größerer Zahl für eine Ausbildung zu gewinnen, nach der Ausbildung zu halten und für eine Karriere in der Branche zu begeistern?
Diesen Fragen ging das EBZ – Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft mit einer Befragung unter 190 Ausbildungsbetrieben (hier geht es zum Download) sowie von Schülern und Schülerinnen – 478 aus der Unterstufe, 156 aus der Oberstufe – des EBZ Berufskollegs auf den Grund. Der nun vorliegende, auf den Befragungsresultaten basierende Handlungsleitfaden hält überraschende Ergebnisse, viele wichtige Erkenntnisse und hilfreiche Lösungsansätze parat, um Unternehmen im härter werdenden Kampf um Nachwuchskräfte zu unterstützen.
Die gute Nachricht: Die Stärken der Branche sind bekannt
Zunächst wirklich gute Nachrichten: Die Stärken der Berufsfelder in der Wohnungs- und Immobilienbranche werden erkannt und „ziehen“: Auf die Frage, welche Punkte am wichtigsten bei der Wahl des Ausbildungsberufs waren, nannten die Unterstufen-Befragten mit Abstand am häufigsten die vielfältigen Aufgaben (64,6 Prozent), die Karrierechancen (54,2 Prozent) und den sicheren Arbeitsplatz (43,5 Prozent). Die Punkte „Verdienstmöglichkeiten“ (31,8 Prozent) und „Soziale Kontakte“ (28,2 Prozent) fallen in der Nennungshäufigkeit etwas ab, spiegeln aber weitere Pluspunkte.
Zwischenfazit 1: Damit ist klar, dass diese Punkte das Argumentationsraster der werbenden Maßnahmen bilden und beim Recruiting ein entsprechendes Gewicht erhalten sollten.
Das private Umfeld als Wegweiser in den Beruf – Social Media und Schule noch unterrepräsentiert
Wie haben die jungen Menschen überhaupt vom Ausbildungsberuf zur/zum Immobilienkauffrau/-kaufmann erfahren? Das Resultat: Familie, Freunde und Bekannte sind für fast 80 Prozent der Unterstufenbefragten der Wegweiser. Dagegen haben nur 22 Prozent Infoseiten im Internet und nur 21 Prozent „Praktikum/Berufserfahrung“ genannt. Bei der Frage, wie der Ausbildungsbetrieb gefunden wurde, ergibt sich ein ähnliches Bild: 49,1 Prozent sind über Familie, Freunde und Bekannte fündig geworden. Immerhin 27 Prozent kamen über die Homepage ihres Ausbildungsbetriebs und ein knappes Viertel (24,7 Prozent) über Formate wie Ausbildungsbörsen im Internet. 15,1 Prozent der Azubis kommen über die Agentur für Arbeit in die Brache. Die Nennungen von Schulpraktika, Medien oder sozialen Netzwerken liegen im einstelligen Bereich und spielen kaum eine Rolle, obwohl rund 30 Prozent der Ausbildungsbetriebe über Facebook und Instagram und sogar 43% über Schulpraktika um Azubis werben.
Zwischenfazit 2: Es lohnt sich, Anreizsysteme für Mitarbeitende und Auszubildende zu schaffen, um freie Ausbildungsplätze gezielt über private Kontakte bewerben zu lassen. Soziale Medien haben eine enorme Reichweite und sind ein wichtiges Informationsmedium für junge Menschen. 68 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Informationen über die Kanäle TikTok, Instagram oder Youtube. Insbesondere die eigenen Auszubildenden können wertvolle Partner beim Einsatz sozialer Medien sein.
Ganzjährige Rekrutierung zahlt sich aus
Wie die Umfragen des EBZ zeigen, lohnt sich eine ganzjährige Rekrutierung von Azubis. Denn mehr als die Hälfte der Befragten haben sich in einem Zeitraum zwischen fünf und zwölf Monaten für die Ausbildung zur/zum Immobilienkauffrau/-kaufmann entschieden, gut ein Viertel trifft die Entscheidung sogar ein bis mehr als zwei Jahre im Voraus. Das andere Viertel entscheidet sich erst vier bis weniger als einen Monat vor Beginn der Ausbildung.
Zwischenfazit 3: Ein ganzjähriger Rekrutierungsfahrplan erhöht die Erfolgsquote. Rekrutierungsaktivitäten sollten nach Möglichkeit zudem auf die Lebenssituation der jungen Menschen angepasst sein (Prüfungsphasen, Schulabschlüsse, Ferien etc. bedenken).
Bindung zum Betrieb stärken: Nach der Ausbildung ist vor der (akademischen) Weiterbildung
Die EBZ-Befragung belegt: Anreize zum Verbleib im Unternehmen sind wichtig. Denn 45% der Auszubildenden möchten nach dem Abschluss nicht in ihrem Ausbildungsbetrieb bleiben, 22% haben sich noch nicht entschieden. Diese Zahlen bewegen sich zwar ungefähr im Mittel der gesamten Wirtschaft, zeigen aber dennoch, dass es zunehmend darum geht, jungen Menschen Perspektiven zu bieten und sie so an den Ausbildungsbetrieb zu binden.
Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der Auszubildenden halten es grundsätzlich für erforderlich, sich nach der Ausbildung weiter zu qualifizieren. Sogar 27 Prozent streben ein Studium im Immobilienbereich an.
Zwischenfazit 4: Auf Entwicklungsperspektiven und Weiterbildungsangebote kommt es an! Sie erhöhen die Chancen auf motivierte und engagierte Auszubildende. Das Angebot eines berufsbegleitenden Studiums nach der Ausbildung führt zu einer längerfristigen Bindung von qualifiziertem Personal – beide Seiten gewinnen.
Bewerbungsverfahren überdenken, das Mindset junger Menschen kennen
Die Anzahl der Bewerbungen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken, wie 40 Prozent der Ausbildungsbetriebe bestätigen. Für die kommenden Jahre rechnen sie mit weiter sinkenden Zahlen. Das kann an zu stark formalisierten Bewerbungsprozessen liegen, denn 78 Prozent der Unternehmen fordern von Bewerberinnen und Bewerbern nach wie vor ein Anschreiben. Die eingereichten Unterlagen stellen für 85 Prozent der Betriebe die Grundlage für eine Vorauswahl dar. 94 Prozent der Unternehmen wollen ihre potenziellen Azubis bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch kennenlernen.
Zwischenfazit 5: Die jungen Leute bevorzugen eher einfache Wege und schnelle Entscheidungen. Eine Vereinfachung des Bewerbungsverfahrens erhöht die Chancen auf zusätzliche Bewerbungen. Zudem sollten sich Unternehmen die Frage stellen, welche konkreten Erwartungen Sie hinsichtlich Motivation, Persönlichkeit, Qualifikation, Fähigkeiten, Mindset und Zielen an ihre Auszubildenden stellen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, wen sie wirklich suchen und ob ihre Stellenausschreibung aussagekräftig genug ist.
Rekrutierung an Unis und allen in Frage kommenden Schulformen – den Bewerberpool erweitern
Von den Auszubildenden der Unterstufe bzw. Oberstufe am EBZ Berufskolleg haben mehr als zwei Drittel Abitur und rund ein Viertel die Fachhochschulreife. Nur zehn bzw. drei Prozent der Azubis besitzen einen Realschulabschluss. Jede/r fünfte Auszubildende/r hat vor Beginn der Ausbildung studiert.
Zwischenfazit 6: Unausgeschöpfte Potenziale bei der Rekrutierung liegen zum einen in der Gruppe der Studienabbrecherinnen und -abbrecher, zum anderen in einer Vielzahl an motivierten Schülerinnen und Schüler ohne Abitur. Grundsätzlich bedarf es bei der Rekrutierung passender Auszubildender dringend neuer Wege und der Erschließung neuer Zielgruppen. Insbesondere auch deshalb, weil beispielsweise im Jahr 2025 in Bayern ein Abiturjahrgang wegen der Umstellung der gymnasialen Oberstufe auf „G9“ wegfällt. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen droht dieser Engpass im Jahr 2026. Allein in NRW fehlen dann rund 70.000 Abiturientinnen und Abiturienten.
Fazit: CO2-Reduzierung, Klimaziele, nachhaltige Energieversorgung: Die Komplexität der Aufgaben in den Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft steigt, wohingegen der Arbeitsmarkt leergefegt ist. Es wird immer schwieriger, Fachkräfte und qualifizierte Auszubildende zu rekrutieren – und diese Entwicklung wird sich noch verstärken, denn der Wettbewerb um den Nachwuchs wird härter. Bereits jetzt scheiden kontinuierlich mehr Menschen aus dem Erwerbsleben aus, als junge Menschen nachrücken. Erfolgreiche Strategien zur Gewinnung von Auszubildenden sind daher ein wesentlicher Baustein zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.